Baulärm: Was müssen wir ertragen? Und wie können wir uns wehren?
VON belmedia Redaktion News Wohnen
Einspurige Fahrbahnen auf der Autobahn, ein ewig unfertiger Flughafen Berlin-Brandenburg oder der Nachbar, der seine Küche renoviert – Deutschland ist ein Land der Baustellen und wo gebaut wird, ist leider auch mit Baulärm zu rechnen.
Grundsätzlich gilt dabei: Lärm ist nicht gleich Lärm.
Ein hoher Geräuschpegel durch gewerbliche Bauarbeiten wird als Baulärm bezeichnet genauso wie Arbeiten in der Wohnung, sofern sie von einer Firma ausgeführt werden. Normale Heimwerkertätigkeiten von Privatpersonen fallen nicht in diese Kategorie. Betroffene müssen sich allerdings nicht alles gefallen lassen, wenn nebenan oder vor der Haustür gebaut wird. Doch wie sehen die gesetzlichen Regelungen aus und welche Rechte haben Betroffene? Ferdinand Seulen, Geschäftsführer bei blauarbeit.de, hat sich dem Thema angenommen und weiss Rat.
Mein Nachbar, die private Baustelle
Hämmern, Sägen, Bohren oder Dielen abschleifen – Renovierungsarbeiten in der Wohnung machen Lärm. Leider ist es oftmals so, dass Handwerker bereits in der Frühe mit ihrer Arbeit beginnen. Ruhezeiten sind jedoch nur von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr – davor und danach sind Arbeiten erlaubt. Ein kleines Licht am Horizont gibt es dennoch: Betroffene können sich an den Vermieter wenden und einen späteren Beginn der Bauarbeiten vereinbaren. Zudem hat ein Mieter das Recht, die Miete zu mindern, da der Lärm auch als Mangel verstanden werden kann. Anders beim Eigenheimbau: Plant der Nachbar ein neues Haus zu bauen, kann das nervig sein. Doch wenn der Bau nach Recht und Gesetz hochgezogen wird, darf der Bauherr in den gesetzlich vorgegebenen Zeiten Lärm machen.
Mein Nachbar, die gewerbliche Baustelle
Wird in der direkten Nachbarschaft ein Einkaufszentrum gebaut, gibt es gesetzliche Regelungen, an die sich der Bauherr halten muss. Wer eine Baustelle gewerblich betreibt, muss grundsätzlich proaktiv schädliche Umwelteinwirkungen verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen müssen auf ein Mindestmass beschränkt werden. Dazu gehört auch der entstehende Lärm. Zudem müssen bestimmte Lautstärkepegel eingehalten und Nachtzeiten berücksichtigt werden. Bei Fragen rund um gewerblichen Baustellenlärm können Betroffene sich an den Bauunternehmer, die Kommune oder das örtliche Umweltamt wenden.
Zu viel ist zu viel! Bitten, Beschweren, Klagen, wenn…
Da das Schmerzempfinden eines jeden Einzelnen sehr unterschiedlich ist, steht im deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz ganz genau beschrieben, wie hoch der Lärmpegel wann sein darf. So darf es nachts an Kurorten nicht lauter als 35 dB, am Tag bis zu 45 dB werden. In Industrie- und Gewerbegebieten darf hingegen rund um die Uhr bei bis zu 70 dB gearbeitet werden. In belebten Wohnungsgebieten liegt dieser Wert bei 35 bis 55 dB. Werden die Werte überschritten, steht die Justiz auf Seite der Bewohner. Es gibt aber auch Ausnahmen: Weiss der Mieter bei Vertragsschluss zum Beispiel, dass in absehbarer Zeit in der Nachbarschaft gebaut wird, kann die Miete nicht mehr gemindert werden. Werden die Lärmschutzauflagen aber nachweislich nicht eingehalten, schaltet sich die Bauaufsichtsbehörde ein und verhängt Zwangsmassnahmen zur Reduzierung des Lärms. Das kann bis hin zum Baustopp gehen. Allerdings wird das Problem damit nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben.
How-To Mietminderung
Wer die Miete aufgrund von Baulärm mindern möchte, muss zunächst seinen Vermieter auf den Baulärm hinweisen, damit dieser Gegenmassnahmen ergreifen kann. Diese sogenannte Mängelanzeige sollte zu Beweiszwecken schriftlich eingereicht werden. Der Umfang der Minderung richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung und der Schwere des Mangels. Bei Baulärm ist die Höhe der Minderung vom Einzelfall abhängig und kann nicht pauschal festgelegt werden. Wer zum Beispiel gegenüber einer Grossbaustelle wohnt, kann seine Miete um 10 bis 15 Prozent mindern. Um Missverständnisse mit dem Vermieter zu vermeiden, sollte dieser über die geplante Minderung in Kenntnis gesetzt werden. Sind Betroffene unsicher über die Höhe der Minderung, gibt es Rat bei Rechtsberatungen oder Mietervereinen.
Fazit: Bei Baulärm auf der sicheren Seite sein
Wer neben einer Baustelle wohnt, schwankt oft hin und her – zwischen Ärger und Durchhalten. Fakt ist: Baulärm kann krank machen und Auslöser für Bluthochdruck und Herzkreislauf-Schwäche sein. Wichtig ist, dass Bauherren ihre Nachbarschaft in jedem Fall über die Baumassnahmen informieren. Wird das Gespräch gesucht, ist das schon die halbe Miete. Bevor die Situation aber in einem Rechtsstreit eskaliert, ist es wichtig zu bedenken, dass dieser Schritt eine Baustelle nicht in Luft auflöst. Werden alle Regelungen zum Baulärm eingehalten und ist dieser dennoch nicht auszuhalten, müssen Betroffene das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Zieht sich der Baulärm gar über Monate hinweg, bleibt abschliessend aber leider nur zu raten, ruhige Orte, wie die Natur, ein Café oder das nächste Museum aufzusuchen.
Quelle: Blauarbeit
Titelbild: © rawpixel