Ratlosigkeit in der Wiler Altstadt aufgrund der neuen Energievorschriften

Die neuen Energievorschriften der Kantone sorgen bei Hausbesitzern für schwierig zu lösenden Problemen. Auch Alex Häne ist im Dilemma.

Das „Blaue Haus“ ist ein beeindruckendes Schmuckstück, ein Exot in der Altstadt von Wil/SG. Im Jahr 1744 zerstörte hier ein Feuer drei Häuser, zwischen 1748 und 1750 wurde an deren Stelle ein stattliches Bürgerhaus im Barockstil errichtet. Heute befinden sich hinter der blauen Fassade ein Einrichtungsgeschäft sowie auf den darüberliegenden vier Etagen eine Praxis und Wohnungen.

„Besonders beeindruckend ist die 175 Quadratmeter grosse Herrschaftswohnung im ersten Stockwerk“, erzählt Alex Häne stolz. Seit 2012 gehört dem pensionierten Berufsschullehrer das Gebäude. Zwischen 1975 und 1980 wohnte der bald Siebzigjährige mit seiner Frau und den drei Kindern ebenfalls hier, in direkter Nachbarschaft mit den damaligen Besitzern. Später zog er mit seiner Familie in ein Eigenheim ausserhalb der Stadt, blieb jedoch immer in Kontakt mit den Vorbesitzern und war sofort dabei, als diese einen Käufer suchten. Obwohl oder gerade, weil sich Renovationen ankündigten.


In der etappenweisen Sanierung fand Alex Häne ein Projekt für die Zeit nach seiner Pensionierung. Seither hat er unzählige Stunden und viel Kapital investiert.

Isolationsputz abgelehnt

Der gelernte Hochbauzeichner und spätere Bauführer hat hier ein Projekt gefunden, bei dem er seine Leidenschaft wiederaufleben lassen kann: Über die letzten Jahre hinweg wurde etappenweise saniert, und Alex Häne investierte nicht nur viel Kapital, sondern auch unzählige Stunden vor Ort im Gespräch mit Handwerkern und Behörden. Letztere machten ihm das Leben nicht immer einfach, vor allem beim Denkmalschutz.

Bei der Renovierung der Südfassade etwa wurde deren Farbe bis ins kleinste Detail analysiert und vorgegeben. Gern hätte Alex Häne im gleichen Arbeitsschritt einen 2,5 Zentimeter dicken Isolationsputz angebracht, um die 1,20 Meter dicken Bollenstein-Wände wenigstens ein wenig zu dämmen. Das Anliegen wurde nicht bewilligt – er musste sich mit der teilweisen Erneuerung der Fenster und der Dämmung des Daches von innen begnügen.



Das Sanierungsresultat ist ebenso beeindruckend wie die Aussicht. Alex Häne könnte zufrieden sein – wären da nicht die Sorgen rund um die Heizung.

Ein ungelöstes Problem

Inzwischen ist die letzte Wohnung fast fertig und detailgetreu renoviert. Die Stuckdecke glänzt in alter Frische, gleich wie der Parkettboden. Alex Häne könnte stolz sein auf sein Werk – wäre da nicht noch dieses eine, ungelöste Problem mit der Heizung. Zwar hat der Ölbrennwertkessel der Herstellerfirma Sixmadun mit einer Leistung von 40,5 bis 54 Kilowatt Jahrgang 1993 – während der Brenner im Jahr 2003 letztmals erneuert wurde –, läuft aber noch einwandfrei und erfüllt sämtliche Vorschriften. „Trotzdem müssen wir die Anlage wohl noch dieses Jahr ersetzen“, so Alex Häne.

Der Grund dafür sind die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich, kurz MuKEn 2014. In einigen Kantonen sind diese bereits umgesetzt, in anderen wie etwa in St. Gallen wird noch über die Ausgestaltung diskutiert. Viele aber planen eine Inkraftsetzung per 1. Januar 2020, scheinbar ohne Rücksicht auf Praxistauglichkeit. Denn: Praktisch überall ist anschliessend ein Ersatz der Ölheizung nur noch unter gewissen Auflagen möglich – keine davon wird Alex Häne erfüllen können.

Eine Erneuerung der Ölheizung wäre etwa erlaubt, wenn die Aussenhülle genügend gedämmt ist. „Das wollte ich ja, nur hat hier der Denkmalschutz nicht mitgespielt.“ Gleiches gilt bei einer Solaranlage auf dem Dach, sei es für Strom oder Warmwasser, um mindestens zehn Prozent erneuerbare Energien zu erreichen.

Gefühl der Hilflosigkeit

Alex Häne bliebe dann also wohl nur ein Umsteigen auf alternative Energieträger. Für ihn unbegreiflich. Zum einen fände er es schade um den einwandfreien 11’500-Liter-Tank. „Ausserdem sind moderne Ölheizungen ja inzwischen enorm effizient und sauber“. Aber auch wenn er wollte: Die Hände sind ihm praktisch gebunden.

Eine Pelletheizung ist aus Platzgründen nicht möglich, und mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe werden die erforderlichen Vorlauftemperaturen kaum erreicht. „Auch würde diese hier in der Altstadt nicht bewilligt werden. Oder sie müsste so weit unten im Garten zu stehen kommen, dass die Zuleitung in der Hügelstadt nur schwierig und teuer zu realisieren wäre. Gleiches gilt für eine Erdsonden-Lösung.“ Fernwärme sei ausserdem momentan hier nicht verfügbar – „und bei Gas haben wir die gleichen Vorschriften wie bei Heizöl“.

Was bleibe, sei ein Gefühl der Hilflosigkeit. Vor allem, weil die Behörden anscheinend wüssten, was das Beste sei, sich mit ihren Vorschriften aber selber widersprechen würden. Alex Häne schaut nun, ob er den Heizungsersatz wirklich noch dieses Jahr durchbringt, oder ob er ein Gesuch auf Sonderbewilligung stellt. „Ansonsten bin ich ratlos.“ Und damit wird er längst nicht der einzige Hausbesitzer sein. Sind die neuen Vorschriften erst eingeführt, dürfte es gerade in den Städten viele ratlose Gesichter geben.

Titelbild: Im Jahr 2012 kaufte Alex Häne das beeindruckende, barocke Bürgerhaus in der Altstadt von Wil, in dem er zuvor bereits einmal fünf Jahre gewohnt hatte.

 

Quelle: Erdöl-Vereinigung
Bildquelle: EV/CF

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